Privatinsolvenz: Insolvenzverwaltervergütung keine außergewöhnliche Belastung

Das Verbraucherinsolvenzverfahren, auch als Privatinsolvenzverfahren bezeichnet, soll es Schuldnern ermöglichen, von ihren Restschulden befreit und nach einer Wohlverhaltensphase wieder wirtschaftlich integriert zu werden. Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass die zugunsten des Insolvenzverwalters festgesetzte Tätigkeitsvergütung beim Insolvenzschuldner steuerlich aber nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen ist (BFH-Urteil vom 16.12.2021, VI R 41/18). Die Aufwendungen seien nicht "außergewöhnlich". Die Überschuldung von Privatpersonen sei kein gesellschaftliches Randphänomen. Insolvenzverfahren von Verbrauchern und bestimmten unternehmerisch tätigen Privatpersonen seien keineswegs unüblich. Von der Möglichkeit des vereinfachten (Verbraucher-)Insolvenzverfahrens hätten seit Einführung im Jahr 1999 bis Ende 2019 immerhin rund 2,13 Mio. Privatpersonen Gebrauch gemacht. Es könne deshalb nicht angenommen werden, dass dem Insolvenzschuldner durch die Tätigkeitsvergütung eines Insolvenzverwalters größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen seien.

Vor einigen Jahren hatte der BFH noch eine andere Auffassung vertreten und entschieden, die Vergütung für den Insolvenzverwalter oder Treuhänder könne unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere wenn der Steuerpflichtige die Ursache seiner Überschuldung und damit die Notwendigkeit eines Verbraucherinsolvenzverfahrens nicht selbst gesetzt habe, als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein (BFH-Urteil vom 4.8.2016, VI R 47/13). Diese Ansicht hat der BFH aber ausdrücklich aufgegeben.

07.10.2024
Sozialversicherung: Ist der Lohnanspruch durch eine Pkw-Gestellung erfüllt?

Bei dem Mindestlohn handelt es sich um einen Bruttolohn, der als Geldleistung zu berechnen und auszuzahlen ist. Die Entlohnung im Wege der Gewährung von Sachbezügen, beispielsweise in Form einer Pkw-Gestellung anstelle von Geld, ist nicht zulässig. So zumindest wird überwiegend das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.5.2016 (5 AZR 135/16) interpretiert. Es stellt sich in diesem Zusammenhang aber eine weitere Frage: Sind die Sozialversicherungsbeiträge, wenn Sachlohn anstelle von Barlohn gewährt wird und dadurch der Mindestlohn nicht erreicht wird, vom Sachbezug zuzüglich eines - bislang nicht realisierten - Anspruchs auf den Mindestlohn zu berechnen? Anders ausgedrückt: Sind Sozialversicherungsbeiträge von einem "Phantomlohn" zu berechnen? Mit dieser Frage muss sich nun das Bundessozialgericht in dem Verfahren mit dem Az. B 12 BA 6/23 R befassen. Vorausgegangen ist ein - für den klagenden Arbeitgeber positives - Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG-Urteil vom 19.4.2023, L 5 BA 1846/22).

Der Kläger beschäftigte einen Monteur in Teilzeit mit 43,5 Arbeitsstunden monatlich (es ging um den Zeitraum 1.4.2014 bis 31.1.2016). Vereinbart war eine monatliche Vergütung in Höhe von 398 Euro, die aus einem geldwerten Vorteil für die Überlassung eines Firmenwagens bestand. Aus dem Sachbezug wurden Sozialversicherungsbeiträge entrichtet. Daneben übte der Monteur eine Hauptbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aus. Nach einer Sozialversicherungsprüfung sollte der Arbeitgeber Gesamtsozialversicherungs- und Umlagebeiträge nachzahlen. Dem Monteur sei nicht der seit 1.1.2015 gültige gesetzliche Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) in Höhe von seinerzeit 8,50 Euro brutto je Zeitstunde gezahlt worden. Der Mindestlohn werde als Geldbetrag geschuldet. Der Arbeitnehmer habe folglich über den Sachbezug hinaus Anspruch auf weiteres Arbeitsentgelt nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 MiLoG, so dass sich die Sozialversicherungs- und Umlagebeiträge aus dem Sachbezug und dem darüber hinaus gehenden Arbeitsentgelt berechneten. Letztlich wurde also ein "Phantomlohn" der Sozialversicherung unterworfen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch und die Klage blieben zunächst erfolglos, doch das LSG ist im Berufungsverfahren anderer Auffassung und sieht die Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge als rechtswidrig an.

Begründung: Im Streitfall haben der Kläger und der Arbeitnehmer einen Arbeitsentgeltanspruch in Höhe von monatlich 398 Euro vereinbart - nur auf diesen Betrag kommt es für die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge an. Ein höheres Arbeitsentgelt schuldete der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch unter Anwendung des MiLoG nicht. Der vereinbarte Arbeitsentgeltanspruch von 398 Euro wahrt der Höhe nach den Mindestlohn von damals 8,50 Euro je Zeitstunde, da 43,5 Arbeitsstunden vereinbart waren und auch geleistet wurden. Der Kläger zahlte demnach dem Arbeitnehmer einen Stundenlohn von 9,15 Euro. Der Arbeitsentgeltanspruch erhöht sich auch nicht deshalb, weil dieser nur in Form einer Sachzuwendung erbracht wurde und damit - möglicherweise - der Teil des Arbeitsentgeltanspruchs, der auf den Mindestlohn entfiel, als nicht erfüllt anzusehen ist. Es wäre lediglich ein Teil seines Anspruchs bislang nicht erfüllt, weil die Vereinbarung, den Arbeitsentgeltanspruch (vollständig) durch einen Sachbezug zu tilgen, gemäß § 134 BGB nichtig wäre. Der Arbeitnehmer könnte dann Erfüllung durch Geldzahlung verlangen, müsste aber im Gegenzug den Wert der Sachzuwendung aus bereicherungsrechtlichen Gründen erstatten. Ein Anspruch auf beide Beträge (den Wert der Sachzuwendung und den Mindestlohn) besteht aber weder arbeitsrechtlich noch nach dem MiLoG.

05.10.2024
Betriebsprüfung: Änderung von Steuerbescheiden trotz Bestandskraft?

Will das Finanzamt einen einmal erteilten Steuerbescheid ändern, bedarf es dazu einer rechtlichen Grundlage. Das gilt auch im Rahmen einer Betriebs- oder anderen Außenprüfung. Bei selbstständig tätigen Steuerpflichtigen besteht die Möglichkeit der Änderung oftmals nach § 164 AO. Das heißt, die Steuerbescheide können geändert werden, weil sie vom Finanzamt zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen wurden. Hat das Finanzamt die entsprechenden Steuerbescheide aber nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen, kommt als Änderungsvorschrift üblicherweise nur § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO in Betracht. Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Kürzlich hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass auch die Art und Weise, in der ein Einnahmen-Überschussrechner seine Aufzeichnungen geführt hat, eine Tatsache ist. Wird sie dem Finanzamt nachträglich bekannt, kann sie zur Korrektur eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids führen (BFH-Urteil vom 6.5.2024, III R 14/22).

Der Kläger war als Einzelhändler tätig und ermittelte seinen Gewinn im Wege der Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG). Das Finanzamt veranlagte ihn zunächst erklärungsgemäß und ohne Vorbehalt der Nachprüfung. Eine spätere Außenprüfung beanstandete die Aufzeichnungen des Klägers als formell mangelhaft und führte zu einer Hinzuschätzung. Das Finanzamt änderte daraufhin die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide der Streitjahre. Dies sei auch verfahrensrechtlich zulässig, da im Rahmen der Außenprüfung nachträglich steuererhöhende Tatsachen bekannt geworden seien (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO). Dem folgte der BFH im Grundsatz.

§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lasse eine Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide nicht nur dann zu, wenn sicher feststehe, dass der Steuerpflichtige Betriebseinnahmen nicht aufgezeichnet habe. Auch die Art und Weise, in der der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen geführt habe, sei eine Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Dies gelte für Aufzeichnungen über den Wareneingang (§ 143 AO) ebenso wie für sonstige Aufzeichnungen oder die übrige Belegsammlung eines Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittle, auch wenn § 4 Abs. 3 EStG keine Verpflichtung zur förmlichen Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben vorsehe. Darüber, ob im Streitfall eine Änderung der bestandskräftigen Steuerbescheide gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zulässig war, konnte der BFH allerdings - mangels hinreichender Feststellungen des Finanzgerichts zur Rechtserheblichkeit - nicht abschließend entscheiden. Die Tatsache, ob und wie der Steuer-pflichtige seine Bareinnahmen aufgezeichnet habe, sei rechtserheblich, wenn das Finanzamt bei deren vollständiger Kenntnis bereits im Zeitpunkt der Veranlagung zur Schätzung befugt gewesen wäre und deswegen eine höhere Steuer festgesetzt hätte. Da eine Schätzungsbefugnis des Finanzamts in bestimmten Fällen auch bei (lediglich) formellen Mängeln der Aufzeichnungen über Bareinnahmen bestehe, müsse das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang prüfen, ob die Unterlagen des Klägers Mängel aufwiesen, die zur Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen führen (Quelle: BFH, PM vom 4.7.2024).

03.10.2024
Bilanzierung: Rückstellung für Altersfreizeit darf gebildet werden

Betriebe, die ihren Mitarbeitern zusätzliche freie Arbeitstage in Form von Altersfreizeit gewähren, können hierfür eine steuermindernde Rückstellung bilden. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 5.6.2024 (IV R 22/22) entschieden. Die Klägerin gewährt ihren älteren Beschäftigten aufgrund eines Manteltarifvertrags neben ihrem vertraglichen Jahresurlaub einen zusätzlichen jährlichen Anspruch auf bezahlte Freizeit. Konkret stand den Arbeitnehmern zusätzliche bezahlte Freizeit von zwei Arbeitstagen je vollem Jahr ihrer Betriebszugehörigkeit zu, soweit sie dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen zugehörig waren und das 60. Lebensjahr vollendet hatten. Im Rahmen einer Betriebsprüfung lehnte das Finanzamt die steuermindernde Berücksichtigung der Rückstellung ab. Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten seien nicht erfüllt. Insbesondere hätten die beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Mehrleistungen erbracht, die der Betrieb zu bezahlen hätte. Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt; die Klägerin könne eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bilden. Der BFH hat das Urteil bestätigt.

Begründung: Der Anspruch der Arbeitnehmer ist durch ihre Arbeitsleistung - zum Teil aufschiebend bedingt durch eine mindestens zehnjährige Betriebszugehörigkeit und die Vollendung des 60. Lebensjahres - entstanden und damit erdient bzw. "realisiert“. Die Altersfreizeit gilt vergangene Arbeitsleistung ab und kann zeitlich zugeordnet werden. Durch die Anknüpfung an die Dauer der Betriebszugehörigkeit handelt sich bei der Altersfreizeit um ein Entgelt für während dieser Zeit erbrachte Arbeitsleistungen sowie für die Nichtausübung des Kündigungsrechts. Die Arbeitnehmer haben dadurch eine Vorleistung erbracht. Hingegen muss die Klägerin ihre Gegenleistung in Gestalt der Altersfreizeit noch erbringen. Sie hat am Bilanzstichtag weniger geleistet, als sie nach dem Arbeitsvertrag und den Bestimmungen des Manteltarifvertrags zu leisten verpflichtet ist. Insofern befindet sie sich in einem Erfüllungsrückstand.

01.10.2024
Leiharbeitnehmer: Dienstreisepauschale für Fahrten zur Arbeit?

Kosten für die Fahrten zur Arbeit, das heißt zur "ersten Tätigkeitsstätte", dürfen nur mit der Entfernungspauschale ("Pendlerpauschale") steuerlich geltend gemacht werden, während Fahrten zu Auswärtstätigkeiten nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen sind. Zu Streitigkeiten mit dem Finanzamt kommt es oftmals bei Fahrtkosten von Leih- oder Zeitarbeitnehmern. Diese stehen in einem Arbeitsverhältnis zum Verleiher, fahren aber typischerweise täglich zum Kunden ihres Arbeitsgebers, also dem Entleiher. Steuerlich ist geregelt, dass der Betrieb des Entleihers in bestimmten Fällen zur ersten Tätigkeitsstätte wird und die Fahrtkosten zu dessen Betrieb dann nur mit der Pendlerpauschale abgezogen werden dürfen. Dies ist der Fall, wenn das Zeitarbeitsunternehmen als Arbeitgeber im Arbeitsvertrag festlegt, den Arbeitnehmer im Betrieb des Entleihers unbefristet ("bis auf Weiteres"), für die Dauer des Dienstverhältnisses oder von vornherein länger als 48 Monate zu beschäftigen. Vereinfacht ausgedrückt: Ist von vornherein klar, dass der Leiharbeitnehmer recht lange bei einer einzigen Entleihfirma eingesetzt wird, darf er seine Fahrtkosten nur mit der Entfernungspauschale geltend machen.

Doch aufgrund einer bereits in 2017 erfolgten Gesetzesänderung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (§ 1 Abs. 1b AÜG) stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch "lange Einsatzzeiten" bei einer einzigen Entleihfirma geben kann. Nach dieser Vorschrift, die seit dem 1.4.2017 gilt, darf der Verleiher denselben Leiharbeitnehmer nämlich nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen. Und der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate tätig werden lassen. Das Ganze gilt, soweit nicht in Tarifverträgen eine andere Überlassungshöchstdauer festgelegt ist. Jedenfalls muss der BFH der Frage im Verfahren VI R 22/23 nachgehen. Zumindest muss er klären, ob bei Arbeitnehmern, die bereits vor dem 1.4.2017 "dauerhaft" bei einem einzigen Entleiher eingesetzt wurden und damit bislang nur die Entfernungspauschale abziehen konnten, zum 1.4.2017 eine "Neubewertung" des Einsatzes und auch der steuerlichen Rechtslage erfolgen muss. Vorausgegangen ist ein - allerdings abschlägiges - Urteil des FG München vom 21.3.2023 (6 K 1233/20).

Praxistipp:
Die arbeitsrechtliche Neuregelung lässt gegebenenfalls den Schluss zu, dass ein Leiharbeitnehmer bereits aus Rechtsgründen nicht dauerhaft einem Entleihbetrieb zugeordnet werden kann - so ist zumindest die Auffassung des Klägers. Folgt man der seit dem 1.4.2017 geltenden arbeitsrechtlichen Sichtweise für das Steuerrecht, könnten wesentlich mehr Leiharbeitnehmer als bislang die Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen abziehen. Die Entscheidung des BFH bleibt aber natürlich abzuwarten.

Praxistipp:
Unabhängig vom Ausgang des aktuellen Verfahren gilt, dass bei nur befristeten Einsätzen im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses keine dauerhafte Zuordnung zur Entleiherfirma und damit dort keine "erste Tätigkeitsstätte" besteht (BFH-Urteil vom 12.5.2022,VI R 32/20). Folglich können die Fahrtkosten mit 30 Cent je gefahrenen Km abgesetzt und gegebenenfalls Mehraufwendungen für Verpflegung geltend gemacht werden.

30.09.2024
Adoptionskosten: Abzug als außergewöhnliche Belastung erneut verweigert

Aufwendungen für die Adoption eines Kindes stellen keine außergewöhnliche Belastung dar - so hat das Finanzgericht Münster entschieden und damit die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bestätigt. Allerdings wurde die Revision zugelassen (FG Münster, Urteil vom 25.6.2024, 14 K 1085/23 E). Der Sachverhalt: Die Kläger waren ungewollt kinderlos. Im Jahr 2022 adoptierten sie zwei im Ausland geborene Mädchen. Die Adoptionen wurden in Deutschland von einer staatlich anerkannten Adoptionsvermittlungsstelle begleitet. In ihrer Einkommensteuererklärung machten die Kläger die Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) geltend. Sie verwiesen darauf, dass ihnen die Aufwendungen zwangsläufig entstanden seien. So hätten sie vor der Adoption die langwierige und strapaziöse Behandlung einer künstlichen Befruchtung erfolglos auf sich genommen. Da der BFH die Aufwendungen einer künstlichen Befruchtung zur Erfüllung des individuellen Kinderwunsches als zwangsläufig anerkannt habe (z.B. BFH-Urteil vom 5.10.2017, VI R 2/17), müssten auch die Kosten einer Adoption als zwangsläufig gelten und folglich als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Finanzamt und Finanzgericht verweigerten jedoch den Kostenabzug.

Begründung: Die Aufwendungen, die einem Paar aufgrund der Adoption eines Kindes im Falle organisch bedingter Sterilität eines Partners entstehen, stellen nach der ständigen Rechtsprechung des BFH keine Krankheitskosten dar (z.B. BFH-Urteil vom 20.3.1987, III R 150/86; BFH-Urteil vom 10.3.2015 VI R 60/11). Weder liege eine medizinische Leistung vor noch könne der Vorgang einer Adoption einer solchen gleichgestellt werden. Adoptionen seien keine (medizinischen) Heilbehandlungen. Sie seien nicht medizinisch indiziert und werden nicht in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnung der Ärzte vorgenommen. Etwas anderes gelte auch dann nicht, wenn der Entschluss zur Adoption erst nach erfolgloser Kinderwunschbehandlung gefasst wurde. Der Entschluss zur Adoption beruhe vielmehr - auch nach erfolgloser Kinderwunschbehandlung - auf einer vom Willen getragenen (neuen) freien Entscheidung, die ungewollte Kinderlosigkeit nunmehr durch Adoptionen zu beenden.

Praxistipp:
Wie eingangs erwähnt wurde die Revision zugelassen. Ob diese tatsächlich eingelegt wurde, war bei Redaktionsschluss aber leider noch nicht bekannt.

28.09.2024
Verabschiedung eines Arbeitnehmers: Feier muss nicht zu Arbeitslohn führen

Ein Empfang anlässlich der Verabschiedung eines Arbeitsnehmers kann eine Veranstaltung des Arbeitgebers darstellen, die nicht zu Arbeitslohn führt. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber als Einladender die Gästeliste bestimmt und den Empfang in den eigenen Geschäftsräumen durchführt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 14.5.2024, 8 K 66/22). Es ging um folgenden Sachverhalt: Bei einem Geldinstitut trat der damalige Vorstandsvorsitzende in den Ruhestand. In diesem Zusammenhang veranstaltete die Bank einen Empfang in ihrer Unternehmenszentrale. Für die Organisation und die Umsetzung der Veranstaltung war der eigene Personalbereich zuständig. Unter den ca. 300 geladenen Gästen befanden sich frühere und jetzige Vorstandsmitglieder der Bank, ausgewählte Mitarbeiter sowie der Verwaltungsrat, Angehörige des öffentlichen Lebens aus Politik, Verwaltung sowie bedeutenden Unternehmen und Institutionen aus der Region. Weiter waren Vertreter von Banken und Sparkassen, Vertreter von Verbänden, Kammern und kulturellen Einrichtungen sowie Pressevertreter anwesend. Zudem waren acht Familienangehörige des ausscheidenden Arbeitnehmers als Gäste geladen. Im Rahmen des Empfangs stellte die Bank auch ihren neuen Vorstandsvorsitzenden vor. Das Finanzamt kam zu der Auffassung, dass es sich bei dem Empfang nicht um eine Betriebsveranstaltung gehandelt habe, da nicht alle Arbeitnehmer der Bank eingeladen gewesen seien. Im Übrigen sei ein Betrag von 110 Euro (einschl. Umsatzsteuer) je teilnehmender Person überschritten worden. Nach der Regelung in R 19 Abs. 2 Nr. 3 LStR sei in einem solchen Fall von Arbeitslohn auszugehen. Anders als bei Betriebsveranstaltungen wie Weihnachtsfeiern soll es sich hier nur um eine Freigrenze und nicht um einen Freibetrag handeln. Daher seien die Aufwendungen für den Empfang entsprechend dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden als Arbeitslohn zuzurechnen und eine Nachversteuerung durchzuführen. Doch die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.

Begründung: Der Bundesfinanzhof hat für den Fall eines besonderen runden Geburtstags eines Arbeitnehmers entscheidend darauf abgestellt, dass zwar der Geburtstag des Arbeitnehmers als Anlass des Festes dafür spreche, dass es sich um ein Fest des Arbeitnehmers handele. Aus den übrigen Umständen könne sich jedoch ergeben, dass es sich gleichwohl um ein Fest des Arbeitgebers handele (BFH-Urteil vom 28.1.2003 VI R 48/99). Trete der Arbeitgeber als Gastgeber auf, der die Gästeliste bestimme, spreche dies dafür, dass es sich um ein Fest des Arbeitgebers handele. Ferner sei von Bedeutung, ob es sich bei den Gästen um Geschäftspartner des Arbeitgebers, Angehörige des öffentlichen Lebens sowie der Presse, Verbandsfunktionäre sowie Mitarbeiter des Arbeitgebers handele oder um private Freunde und Bekannte des Arbeitnehmers. Finde der Empfang in den Räumen des Arbeitgebers statt, spreche dies ebenfalls dafür, dass es sich um ein Fest des Arbeitgebers handele. Schließlich sei zu berücksichtigen, ob das Fest den Charakter einer privaten Feier aufweise oder ob das nicht der Fall sei. Stelle sich der Empfang danach als Fest des Arbeitgebers dar, sei eine private Mitveranlassung unschädlich.

Nach diesen Grundsätzen scheide auch im vorliegenden Verfahren die Annahme von Arbeitslohn aus. Allein die Bank sei als Gastgeberin des Empfangs aufgetreten. Sie habe die Einladungskarten entworfen und die Gästeliste bestimmt. Der Arbeitnehmer hatte lediglich die Möglichkeit erhalten, eine kleine Anzahl enger Familienangehöriger zu benennen, die ebenfalls zu der Veranstaltung eingeladen werden sollten. Der Empfang fand in den Geschäftsräumen des Geldinstituts statt. Im Übrigen wurde neben der Verabschiedung des bisherigen Vorstandsvorsitzenden den geladenen Gästen zugleich der neue Vorstandsvorsitzende vorgestellt. Lediglich der Kostenanteil, der auf die persönliche Gäste entfällt, sei zu versteuern. Dies könne über den Arbeitgeber nach § 37b Abs. 2 EStG pauschal mit 30 Prozent der aufgewendeten Kosten erfolgen.

Praxistipp:
Die Richter haben die Revision zugelassen, die auch bereits eingelegt wurde. Das Az. beim Bundesfinanzhof lautet VI R 18/24.

26.09.2024
Elektronische Registrierkassen: Mitteilungen an Finanzverwaltung ab 1.1.2025

Wer ein so genanntes elektronisches Aufzeichnungssystem, darunter fallen insbesondere digitale Registrierkassen, nutzt, muss dem Finanzamt bald - verpflichtend - diverse Informationen übermitteln, beispielsweise die Art der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE), die Art des verwendeten elektronischen Aufzeichnungssystems, dessen Seriennummer, das Datum der Anschaffung des Aufzeichnungssystems und gegebenenfalls das Datum von dessen Außerbetriebnahme. Geregelt ist dies in § 146a der Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit der Kassensicherungsverordnung (KassenSichV). Die Mitteilungspflicht sollte schon vor Jahren in Kraft treten; sie ist aber ausgesetzt worden, bis die Finanzverwaltung eine elektronische Übermittlungsmöglichkeit zur Verfügung stellt. Diese wird nunmehr ab dem 1. Januar 2025 vorliegen (BMF-Schreiben vom 28.6.2024, IV D 2 - S 0316-a/19/10011 :009). Es gilt Folgendes:

Die Mitteilung von vor dem 1. Juli 2025 angeschafften elektronischen Aufzeichnungssystemen (im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 KassenSichV) ist bis zum 31. Juli 2025 zu erstatten. Ab dem 1. Juli 2025 angeschaffte elektronische Aufzeichnungssysteme sind innerhalb eines Monats nach Anschaffung mitzuteilen. Dies gilt ebenfalls für ab dem 1. Juli 2025 außer Betrieb genommene elektronische Aufzeichnungssysteme. Es ist zu beachten, dass bei der Mitteilung der Außerbetriebnahme elektronischer Aufzeichnungssysteme vorher die Anschaffung mitzuteilen ist. Nicht angeschaffte (z.B. gemietete oder geleaste) elektronische Aufzeichnungssysteme stehen angeschafften elektronischen Aufzeichnungssystemen gleich.

Elektronische Aufzeichnungssysteme im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 KassenSichV, die vor dem 1. Juli 2025 endgültig außer Betrieb genommen wurden und im Betrieb nicht mehr vorgehalten werden, sind nur mitzuteilen, wenn die Meldung der Anschaffung des elektronischen Aufzeichnungssystems zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt ist.

Da der Anwendungsbereich der KassenSichV auch auf EU-Taxameter und Wegstreckenzähler ausgeweitet wurde, gilt auch hier die Mitteilungspflicht. EU-Taxameter und Wegstreckenzähler im Sinne des § 1 Abs. 2 KassenSichV, die vor dem 1. Juli 2025 angeschafft oder mit einer TSE ausgerüstet wurden, sind bis zum 31. Juli 2025 mitzuteilen. Ab dem 1. Juli 2025 angeschaffte oder mit einer TSE ausgerüstete EU-Taxameter und Wegstreckenzähler im Sinne des § 1 Abs. 2 KassenSichV sind innerhalb eines Monats nach Anschaffung oder Ausrüstung mit einer TSE mitzuteilen.

Praxistipp:
Die elektronische Übermittlungsmöglichkeit wird über das Programm "Mein ELSTER“ und die ERiC-Schnittstelle zur Verfügung gestellt.

Praxistipp:
Bei jeder Mitteilung sind stets alle elektronischen Aufzeichnungssysteme einer Betriebsstätte in der einheitlichen Mitteilung zu übermitteln.

24.09.2024
Grundstücksschenkung: Führt Schuldübernahme zur Spekulationsbesteuerung?

Wenn eine vermietete Immobilie auf Sohn oder Tochter übertragen wird, müssen diese mitunter die Schulden übernehmen, die noch auf der Immobilie lasten. Wenn die Schulden bzw. eventuelle Zahlungen der Kinder unterhalb des Verkehrswerts der Immobilie liegen, spricht man von einer teilentgeltlichen Übertragung. Der Bundesfinanzhof muss sich bald mit der Frage befassen, ob eine teilentgeltliche Übertragung - neben eventueller Schenkungsteuer - auch zusätzlich noch Einkommensteuer auslösen kann. Vorausgegangen ist ein Verfahren vor dem Niedersächsischen Finanzgericht (Urteil vom 29.5.2024, 3 K 36/24).

Der Sachverhalt: Der Vater hatte im Jahr 2014 ein bebautes Grundstück für insgesamt 143.950 Euro erworben und anschließend vermietet. Einen Teil des Erwerbs hatte er durch ein Bankdarlehen finanziert. In 2019 übertrug der Vater diese Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seine Tochter. Das Bankdarlehen valutierte noch mit 115.000 Euro. Die Tochter übernahm diese Verpflichtung. Beim Notar gaben die Vertragsparteien den aktuellen Verkehrswert der Immobilie mit 210.000 Euro an. Das Finanzamt wertete diesen Vorgang als nach § 23 EStG steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft ("Spekulationsgeschäft"), da zwischen dem Erwerb durch den Vater und der Übertragung auf die Tochter noch nicht mehr als zehn Jahre vergangen waren. Die Übertragung sei in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Vorgang aufzuteilen. Maßstab für die Aufteilung sei dabei der Verkehrswert der Immobilie im Zeitpunkt der Übertragung im Verhältnis zu den übernommenen Verbindlichkeiten. Letztlich wollte das Finanzamt einen Betrag von 40.653 Euro versteuern. Das Finanzgericht hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben.

Es entspreche bereits der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass die gänzlich unentgeltliche Übertragung einer Immobilie - also ohne Übernahme von darauf lastenden Verbindlichkeiten - im Wege der vorweggenommenen Erbfolge nicht den Tatbestand des § 23 EStG erfüllt - und zwar selbst dann nicht, wenn die auf diese Weise begünstigten Kinder die Immobilie alsbald weiterveräußern (BFH-Urteil vom 23.4.2021, IX R 8/20). Im Wege der teleologischen Reduktion sei auch die teilentgeltliche Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge aus dem Tatbestand des § 23 EStG auszuscheiden. Steuergegenstand der Regelung in § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG seien realisierte Werterhöhungen oder Wertminderungen aus verhältnismäßig kurzfristigen Umsatzgeschäften von Immobilien im Privatvermögen. Bei Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge - jedenfalls unterhalb der historischen Anschaffungskosten - könne es zu keinem realisierten Wertzuwachs kommen, der der ertragsteuerlichen Besteuerung zugänglich ist. Anderenfalls unterläge ein fiktiver steuerlicher Ertrag, nämlich aus einem reinen Vermögenstransfer im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ohne einen positiven Cashflow, beim Übertragenden zusätzlich der Ertragsteuer.

Praxistipp:
Es wurde die Revision zugelassen, die auch bereits unter dem Az. IX R 17/24 beim BFH vorliegt. Insofern besteht in ähnlichen Fällen eine erhebliche Rechtsunsicherheit.

22.09.2024
Steuerbescheide: Spätere Korrektur bei Datenübermittlung durch Dritte

Bei der Bearbeitung der Steuererklärung übernimmt das Finanzamt automatisiert zahlreiche Daten, die ihm von bestimmten Unternehmen und Institutionen digital mitgeteilt werden (§ 93c AO). Das sind insbesondere die Daten der Arbeitgeber und der Sozialversicherungsträger. Manchmal werden die Daten aber zu spät übertragen und liegen bei der Veranlagung noch gar nicht vor. Oder aber die übermittelten Daten sind fehlerhaft und werden später geändert. Das kann zunächst zu falschen Steuerbescheiden führen. Für diese Fälle hat der Gesetzgeber der Finanzverwaltung die Möglichkeit eingeräumt, die fehlerhaften Steuerbescheide ohne weitere Voraussetzungen nach § 175b AO zu ändern. In diesem Zusammenhang hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass eine Änderung nach § 175b AO auch dann zulässig ist, wenn der Veranlagungsfehler selbst bei Vorlage einer Papierbescheinigung aufgetreten wäre und das Finanzamt den Vorgang durchaus umfassend rechtlich geprüft hat (BFH-Urteil vom 20.2.2024, IX R 20/23).

Der Kläger erhielt im Kalenderjahr 2018 eine Abfindung in Höhe von 9.000 Euro. Diese war laut Lohnsteuerbescheinigung, die der Arbeitgeber der Finanzverwaltung digital übermittelt hatte, im Bruttoarbeitslohn enthalten. Der Kläger trug die Abfindung in seiner Einkommensteuererklärung zwar zutreffend ein, erklärte jedoch hinsichtlich des Bruttoarbeitslohns einen um 9.000 Euro gekürzten Betrag. Das Finanzamt übernahm die Eintragungen trotz eingehender Prüfung, was im Ergebnis dazu führte, dass die Abfindung - zunächst - unbesteuert blieb, denn der Bruttoarbeitslohn hätte in der entsprechenden Kennziffer der Steuererklärung in voller Höhe, also inklusive der Abfindung, eingetragen werden müssen. Erst später, das heißt fast zwei Jahre nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides, erkannte das Finanzamt den Fehler und erließ einen geänderten Steuerbescheid. Hiergegen wandte sich der Kläger ohne Erfolg.

Die Begründung des BFH lautet vereinfacht: § 175b Abs. 1 AO erlaubt die Änderung von Steuerbescheiden ohne "Wenn und Aber", wenn Daten von so genannten mitteilungspflichtigen Stellen übermittelt werden. Die vom Arbeitgeber übermittelten elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen stellen Daten im Sinne des § 93c AO dar, die bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Unerheblich ist, worauf die unzutreffende Berücksichtigung der übermittelten Daten durch die Finanzbehörde zurückzuführen ist. Es kommt weder auf eine Verletzung der Mitwirkungspflichten durch den Steuerpflichtigen, einen Schreib- oder Rechenfehler des Steuerpflichtigen noch auf ein mechanisches Versehen der Finanzbehörde nach § 129 AO oder einen Fehler der Finanzbehörde bei der Tatsachenwürdigung oder Rechtsanwendung an. Auch nach der Gesetzesbegründung soll es auf die Ursache der fehlerhaften Berücksichtigung der übermittelten Daten nicht ankommen.

20.09.2024
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